- Interview
Interview mit Melania Flores: Frauen in der Logistik und die Kraft der Kreativität
Über Vorbilder, Netzwerke und die Frage, warum Gleichberechtigung in der Logistik mehr als gute Absichten braucht.

In a nutshell: In diesem Interview spricht Melania Flores, Senior Logistics Specialist EU, Turkey & APAC und Mitglied der Women´s Community bei Delivery Hero, über ihren Weg in die Logistik, warum weibliche Vorbilder so wichtig sind und wie Netzwerke und Mentoring Karrieren verändern können. Sie zeigt, dass jede*r die Branche mitgestalten kann – unabhängig von Hintergrund oder Geschlecht.
Lisa: Kannst du uns einen Einblick in deine bisherigen Karriereschritte in der Logistik geben?
Melania Flores: Ich habe einen Hintergrund im Umweltingenieurwesen und begann meine berufliche Laufbahn im Bereich Supply Chain. In Argentinien habe ich für Unilever gearbeitet. Als ich nach Deutschland zog, hatte ich meine erste – sagen wir mal – klassische Logistikerfahrung bei ASOS, wo ich als Supply Chain Analystin und später als Delivery Solutions Managerin tätig war.
Jetzt, bei Delivery Hero, arbeite ich in einem völlig anderen Bereich der Logistik. Ich arbeite eng mit den Tech- und Produktteams zusammen. Das Tempo, die Stakeholder und die Lieferanten unterscheiden sich stark von meinen bisherigen Erfahrungen. Es ist äußerst aufschlussreich zu sehen, wie viel Innovation und Potenzial in dieser Branche steckt.
Lisa: War es schon immer dein Kindheitstraum in der Logistik zu arbeiten?
Melania Flores: Nicht wirklich. Nach meinem Studium habe ich bei Unilever gearbeitet und dort eine Freundin kennengelernt, die in der Logistik tätig war. Sie hat mir von ihren Projekten erzählt, und das hat mich neugierig gemacht. Für mich und das gilt bis heute, ist das Spannendste an der Branche, dass man mit Kreativität einen riesigen Einfluss haben kann. Man muss nicht ewig auf Ergebnisse warten. Man kann eine kleine Veränderung vornehmen und sofort einen großen Effekt sehen. Genau das macht den Job so spannend: kreative Lösungen zu finden, die wirklich etwas bewirken.
Lisa: Du hast also durch eine Freundin von der Logistik erfahren. Es scheint oft so zu sein, dass junge Frauen diese Branche gar nicht auf dem Schirm haben, bis sie andere Frauen dort sehen – und dann wird Logistik plötzlich als Option interessant. Denkst du, dass der Mangel an weiblichen Vorbildern einer der Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen in der Logistik ist?
Melania Flores: Das könnte definitiv ein Grund sein – auch wenn es sicher nicht der einzige ist. Aber es macht einen großen Unterschied, ob man weibliche Führungskräfte sieht oder nicht. Wenn man keine Frauen in diesen Positionen sieht, denkt man unbewusst: „Vielleicht ist das nichts für mich.“
Ich bin Teil der Women’s Community bei Delivery Hero, und die beliebtesten Initiativen sind immer die, bei denen weibliche Vorbilder ihre Erfahrungen teilen. Wenn man mit anderen Frauen ins Gespräch kommt, die ähnliche Herausforderungen erlebt haben, fühlt man sich weniger allein.
Lisa: Wie nimmst du die Gleichstellung und Repräsentation von Frauen in der Logistik aktuell wahr? Siehst du eine Verbesserung?
Melania Flores: Seit ich in der Branche bin, hat sich definitiv einiges getan. Die Anzahl der Frauen in der Logistik und im Supply Chain Management ist spürbar gestiegen. Allein die Tatsache, dass das Thema immer mehr diskutiert wird, trägt dazu bei, das Bewusstsein zu schärfen. Das führt wiederum dazu, dass Führungskräfte und Recruiter*innen mehr auf diverse Teams setzen. Natürlich sind wir noch nicht am Ziel – es gibt noch viel zu tun, um nicht nur die Anzahl der Frauen zu erhöhen, sondern auch die Gleichberechtigung selbst.
Lisa: Du hast Recruiter*innen angesprochen. Der erste Schritt ist ja oft die Einstellung – so kommen Frauen überhaupt erst in die Branche. Hast du bisher geschlechtsspezifische Vorurteile im Bewerbungsprozess erlebt?
Melania Flores: Ich denke, wir sind uns alle einig, dass es geschlechtsspezifische Vorurteile gibt, das kann man nicht leugnen. Aber ich sehe das größere Problem nicht bei der Einstellung, sondern eher in der geringen Zahl an Frauen mit langjähriger Erfahrung in der Branche. Wenn eine Stelle mit 10–15 Jahren Berufserfahrung ausgeschrieben wird, gibt es einfach nicht genug Frauen, die diese Kriterien erfüllen und sich bewerben. Oft konkurrieren drei Männer mit einer Frau und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann die Stelle bekommt, ist dann automatisch höher. Bei Junior-Positionen sehe ich das Problem weniger, denn hier kommen mehr Frauen in die Logistik. Viel wichtiger als der Einstellungsprozess ist also die Frage, ob Frauen innerhalb des Unternehmens wirklich wachsen können.
Lisa: Du sagst, dass es mittlerweile mehr Frauen auf Einsteiger- und mittleren Karrierestufen gibt. Aber gibt es deiner Meinung nach eine gläserne Decke, wenn es um den Aufstieg in die C-Level-Positionen geht?
Melania Flores:
Ich glaube nicht, dass es eine gläserne Decke im klassischen Sinne gibt. Aber es gibt definitiv Faktoren, die das Wachstum von Frauen beeinflussen oder eben behindern.
Ein Beispiel ist, wie Frauen in der Branche wahrgenommen werden. Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen und Ehrgeiz, die bei Männern als Stärken gelten, werden bei Frauen oft negativ bewertet – sie werden als herrisch oder zickig abgestempelt, anstatt als selbstbewusst und kompetent. Diese Doppelmoral beeinflusst die Beurteilung von Frauen und kann Hürden für ihre Karriereentwicklung schaffen.
Ein weiteres Beispiel ist der Umgang von Unternehmen mit der Elternzeit. Wenn eine Organisation Frauen nicht dabei unterstützt, Karriere und Mutterschaft in Einklang zu bringen, schränkt sie ihre Möglichkeiten ein. Frauen sollten sich nicht zwischen persönlichen und beruflichen Zielen entscheiden müssen.
Lisa: Es liegt also eher an den Unternehmen als an strukturellen Barrieren, wenn ich dich richtig verstanden habe. Was können Unternehmen deiner Meinung nach tun, um Frauen gezielt zu fördern?
Melania Flores: Ein ganz wichtiger Punkt ist Flexibilität: beim Arbeiten von zu Hause, bei den Bürozeiten, bei den Schichtplänen. Gerade in der Logistik, wo Lager rund um die Uhr laufen, sollte es egal sein, ob ich mich um 7 oder um 8 Uhr einlogge. Diese Flexibilität sollte nicht nur für Frauen, sondern für alle gelten.
Aber über Richtlinien hinaus muss es in Unternehmen Räume geben, in denen Frauen durch den Aufbau starker Netzwerke wachsen können. Ich habe germerkt, dass Männer in der Logistik sehr gut im Networking sind. Sie trinken gemeinsam einen Kaffee, sprechen über Karriereschritte und geben sich gegenseitig Tipps. Frauen sollten dasselbe tun. Sich in diese Gespräche einzubringen, Mentorship zu suchen und Verbindungen aufzubauen, kann dabei helfen, von den Erfahrungen anderer zu lernen, Probleme zu lösen oder wertvolles Feedback zu aktuellen Projekten zu erhalten.
Unternehmen sollten außerdem Räume schaffen, in denen Frauen ihre Erfahrungen und Herausforderungen teilen können. Workshops zu Themen wie „Schwierige Gespräche führen“ oder Mentoring-Programme mit weiblichen Vorbildern können einen enormen positiven Einfluss haben.
Lisa: Neben Flexibilität und Raum zum Networking – was macht ein Unternehmen noch attraktiv für Frauen?
Melania Flores: Ein entscheidender Punkt ist, Frauen in den Bewerbungsprozess einzubinden. Wenn ich sehe, dass bereits Frauen im Unternehmen arbeiten und in Führungspositionen sind, ist das ein positives Zeichen.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist Transparenz bei Gehältern. Frauen sollten von Anfang an sicher sein, dass sie fair und gleich bezahlt werden. Das ist ein Thema, das vielen schwerfällt anzusprechen. Mir selbst ging es genauso. Unternehmen können hier helfen, indem sie klare Gehaltsbänder und Vergütungsstrukturen offenlegen.
Lisa: Du bist jetzt seit über sechs Jahren in der Logistik. Gibt es einen Rat, den du deinem jüngeren Ich geben würdest?
Melania Flores: Behalte deine Kreativität und deine Begeisterung für den Job. Und knüpfe Kontakte! Die Logistik ist ein riesiges Netzwerk, das mit vielen anderen Bereichen verbunden ist. Viele denken nur an Lager und Transport, aber Logistik hat so viele Schnittstellen. Die Beziehungen, die du aufbaust, und die Qualität deiner Arbeit werden dich während deiner gesamten Karriere wertvoll begleiten.
Lisa: Logistik ist überall, vor allem durch die Globalisierung. Könnten Quereinsteigerinnen aus anderen Branchen dazu beitragen, mehr Frauen für die Logistik zu begeistern?
Melania Flores: Ja, definitiv! Man braucht keinen klassischen Logistikhintergrund, um in dieser Branche erfolgreich zu sein. Zwei meiner früheren Kolleginnen waren Quereinsteigerinnen – eine war vorher Sozialarbeiterin, die andere kam aus der Literaturwissenschaft. Beide haben sich super entwickelt und lieben ihren Job!
Lisa: Du hast oft über Kreativität als Schlüsselkompetenz gesprochen. Denkst du, das ist deine „weibliche Superkraft“?
Melania Flores: Nein, das würde ich nicht so sehen. Ich habe mit vielen kreativen Männern gearbeitet. Die Logistik ist eine Branche, in der Erfolg nicht vom Geschlecht abhängt, sondern von den einzigartigen Stärken, die jede Person mitbringt. Was ich am meisten liebe, ist, dass deine Handlungen einen echten, sichtbaren Einfluss haben.
Lisa: Hattest du weibliche Vorbilder oder Mentorinnen in deiner Karriere?
Melania Flores: Ich hatte nur eine weibliche Mentorin, aber insgesamt mehr männliche Mentoren. Unabhängig vom Geschlecht hatte ich das Glück, herausragende Mentor*innen zu haben, die eine entscheidende Rolle in meiner Entwicklung gespielt haben. Sie haben mich nicht nur in meiner täglichen Arbeit unterstützt, sondern mir auch wertvolle Ratschläge gegeben, wie man sich in der Branche zurechtfindet. Sie haben mir beigebracht, schwierige Gespräche selbstbewusst zu führen, und haben meine Erfolge immer gefeiert. Ihre Unterstützung war entscheidend dafür, mein Verständnis für Logistik zu formen und mich in meiner Entwicklung voranzutreiben.
Was weibliche Vorbilder betrifft, so begegne ich immer wieder inspirierenden Frauen in unterschiedlichen Rollen, die wissen, wie man Meetings souverän meistert, strategisch denkt und sich für sich selbst einsetzt.
Lisa: Hast du selbst die Rolle einer Mentorin übernommen?
Melania Flores: Ja! Ich betreue aktuell jemanden in der Tech-Branche. Es war ein tolles Gefühl für mich, als er mich um meine Unterstützung gebeten hat.
Mentoring und Networking sind essenziell. Sie bringen dich mit Menschen in Kontakt, denen du sonst vielleicht nie begegnet wärst, und erweitern dein Verständnis für die Branche.
In meinem vorherigen Job hatte ich informelle Mentoring-Beziehungen mit Führungskräften und Kolleg*innen, denen ich vertraute – sie sind bis heute eine große Unterstützung in meiner Karriere. Bei Delivery Hero haben wir ein strukturiertes Mentorship-Programm, aber ich bevorzuge weiterhin den informellen Weg. Mit meinem Mentor folge ich keinem festen Prozess, sondern führe offene und ehrliche Gespräche.
Lisa: Was motiviert dich, in der Logistik zu bleiben?
Melania Flores:
Die sichtbaren Auswirkungen meiner Arbeit. Und die Vielfalt! Logistik ist so flexibel. Du kannst in viele verschiedene Bereiche eintauchen und überall etwas bewegen.
Momentan bewege ich mich mehr in Richtung operative Exzellenz, bleibe aber in meiner Logistikrolle – das ist eine neue Herausforderung für mich! Das neue Team ist super vielfältig und besteht aus Mitgliedern aus der ganzen Welt, daher freue ich mich sehr darauf, von ihnen zu lernen!
Lisa: Wie würdest du Frauen für die Logistik begeistern?
Melania Flores: Logistik macht Spaß! Du kannst kreativ sein und viel lernen. Und wenn dein Unternehmen dich nicht genug unterstützt, dann gibt es trotzdem immer Menschen, die dich fördern. Mein Tipp: Netzwerke, knüpfe Kontakte und wenn du die Chance hast, sei selbst ein*e Mentor*in!
Selbst wenn die Unternehmenskultur nicht die unterstützendste ist, gibt es immer einzelne Personen – Manager*innen, Kolleg*innen, Mentor*innen – die dich in deiner Entwicklung fördern. Ich hatte großartige Unterstützer*innen in meiner Karriere, darunter eine Mentorin aus einem völlig anderen Team, die nichts mit meiner täglichen Arbeit zu tun hatte, mich aber trotzdem begleitet und inspiriert hat.
Und denk daran: Du kannst selbst die Veränderung sein. Du musst kein*e CEO sein, um etwas zu bewirken. Ob durch die Teilnahme an einem Frauennetzwerk, als Mentor*in oder einfach, indem du dein Wissen teilst – jede*r kann dazu beitragen, die Logistikbranche inklusiver zu gestalten.
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