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Nachhaltigkeit und Logistik – CO2-Bullshitbingo: Ein Aufklärungsversuch
Blogpost 1 von 4: Treibhausgase und der anthropogene Treibhauseffekt

In a nutshell: „Aber die Chinesen…“ oder „Deutschland ist nur für 2% der weltweiten Emissionen verantwortlich. Und wir sollen die Welt retten?“. Wer kennt diese Argumente nicht? Ich war der Meinung, dass wir es als Gesellschaft geschafft haben, diese sehr einseitigen und dekontextualisierten Argumente hinter uns gelassen zu haben. Pustekuchen. Sie sind wieder da. Faktenverdrehung und „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ erleben eine extrem wissenschafts- und ergo demokratiefeindliche Renaissance. Es ist kein Diskurs mehr möglich, wenn wir mehr über die Existenz von Fakten diskutieren als über deren Bedeutung. Menschen hatten schon immer unterschiedliche Ansichten. Heute haben sie unterschiedliche Tatsachen. Aber ohne eine von allen geteilte Realität lassen sich keine zielführenden kollektiven Entscheidungen treffen. Insofern möchte ich versuchen die unterschiedlichen Perspektiven auf die Treibhausgase (vor allem CO2), die unterschiedlichen Fußabdrücke, die geschichtliche und gegenwärtige Verantwortungen geben in der Hoffnung ein bisschen mehr Einblick und Einordnung zu schaffen.
Info: Aufgrund der Komplexität des Themas habe ich mich dazu entschlossen, den Blogpost in vier Teile aufzuteilen:
- 1. Post: Treibhausgase und den Treibhaus-Effekt
- 2. Post: Klimawandel, globale Erwärmung und die CO2-Badewanne
- 3. Post: CO2-Bullshit-Bingo Teil 1 (Ebene: Individuum)
- 4. Post: CO2-Bullshit-Bingo Teil 2 (Ebene: Unternehmen und Nation)
Dieser Text ist ein wenig komisch für mich. Es geht hier um Klimawissenschaft. Insofern basieren alle Fakten und die meisten Beschreibungen auf den Quellen. Ich habe zwar hier und da natürlich etwas hinzugefügt oder textuell geändert, aber im Grunde habe ich nur die Textpassagen zusammengepuzzelt. Wenn du den Text also hammermäßig findest: Kudos an die Quellen.
Die Treibhausgase und der Treibhauseffekt
„Oh Gott“. Ich höre euch. Denn ich weiß: Laaaaangweilig. Kein Bock auf alten Hut und so. Für mich ist es aber auch in dieser Hinsicht die 6. Stunde. Wenn es um Treibhausgase in der Atmosphäre geht, ist es eigentlich schon die 5 vor 12. Stunde. Es scheint aber so, dass Teile der Gesellschaft – wenn es um CO2 und seine Treibhauskumpels geht – geblitzdingst wurden. Insofern: fangen wir in vertretbarer Kürze ganz von vorne an. Oder skippt diesen Text, macht etwas Großartiges mit euren Lieben und wartet auf Teil 2.
Also: Wer sind denn diese Treibhausgase?
Nun, es gibt zunächst mal insgesamt 7 davon:

Ein winziger Teil unserer Erdatmosphäre – weniger als 0,1% – besteht aus Treibhausgasen. Die wichtigsten sind Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O). Nun gibt es an dieser Stelle schon einige Teile der Gesellschaft, Politik und der Wirtschaft, die allein diesen Umstand dazu nutzen wollen, den Impact von Treibhausgasen zu bagatellisieren. „Ein so geringer Anteil kann ja gar nicht so heftige Auswirkungen haben. Und wenn wir das für Deutschland ausrechnen, dann liegt der Anteil an den 0,1% (s. oben) bei 3,1%. Somit beeinflusst Deutschland mit 0,0004712% das CO2 in der Luft“. Damit wird grundsätzlich unterstellt, dass von einer geringen Menge nur eine geringe Wirkung ausgeht. Das ist absolut falsch.
Die 4 weißen Punkte in der unteren Grafik repräsentieren den Anteil der Treibhausgase in der Atmosphäre

Übrigens: Wenn ein 5. Punkt hinzukommt, dann haben wir das 2-Grad Ziel vermasselt.
Der Treibhauseffekt selbst ist älter als wir Menschen. Tatsächlich würden wir nicht einmal existieren, wenn es diesen Effekt nicht gäbe. Wie funktioniert dieser Effekt? Die Treibhausgase kümmern sich vorerst nicht um die direkte Sonnenstrahlung. Dafür ist die Strahlung zu kurzwellig. Sie lassen sie also durch. Wenn die Sonnenstrahlung nun auf die Erde trifft, wird ein Teil davon reflektiert, d.h. zurückgestrahlt. Ein Teil wird absorbiert und ein Teil dieser absorbierten Strahlung wird auch wieder abgestrahlt, allerdings in Form von längerwelliger Strahlung im Infrarotbereich. Und genau das ist der Wellenlängenbereich, den Treibhausgasmoleküle absorbieren können. Die Infrarotstrahlung versetzt die Treibhausgasmoleküle in Schwingungen und wird so in Wärme umgewandelt. Die Treibhausgase arbeiten also völlig konträr zu einem Berghainer Türsteher: Alles darf rein, aber nicht alles darf wieder raus. Die Wärme bleibt somit in der Atmosphäre, und das ist zunächst mal auch gut so. Denn ohne diesen Treibhauseffekt wäre es im Durchschnitt 32°C kühler. [2]
2/3 des natürlichen Treibhauseffekts werden von Wasserdampf (H2O) verursacht, knapp 1/3 Drittel von CO2 und ein kleiner Prozentsatz von weiteren Spurengasen wie Methan. Wasserdampf ist also das wichtigste Treibhausgas. Dieser natürliche Treibhauseffekt schuf seit Ende der letzten Eiszeit bis ca. 1880 ein moderates, stabiles Klima. Aber: Je mehr die Ozean- und Lufttemperaturen ansteigen, umso mehr Wasserdampf gelangt in die Atmosphäre. Eine Rückkopplungsschleife, die zusätzlich noch das Klima deswegen stark beeinflusst, weil Wasserdampf für Wolken und Regen verantwortlich ist. [3] Grundsätzlich gut – denn Wasserzirkulation ist ebenso wichtig – aber im Extremen dann wiederum äußerst schädlich. Dazu später mehr.
Fokussieren wir uns aber auf die anthropogenen Treibhausgasemissionen (der nicht Wasserdampf-Teil), also die Treibhausgase, die wir aufgrund menschlicher Aktivitäten in die Atmosphäre blasen. Man kann in diesem Zusammenhang auch von dem anthropogenen Treibhauseffekt sprechen. Denn das ist genau das, was wir direkt beeinflussen. Wenn wir uns die 4 wichtigsten Treibhausgase anschauen, dann verteilen sich die Treibhausgasemissionen wie folgt (für das Jahr 2019): [3]
- 64% Kohlendioxid (CO2) aus fossilen Brennstoffen und der Industrie
- Bei der Gewinnung, Verarbeitung und Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdgas und Erdöl wird die größte Menge des Treibhausgases CO2 freigesetzt.
- 11% Kohlendioxid (CO2) aus Forstwirtschaft und Landnutzung
- Die Abholzung und das Abbrennen von Wäldern, die Trockenlegung von Mooren und die Bodenveränderung durch die Landwirtschaft setzen ebenfalls CO2 in die Atmosphäre frei.
- 18% Methan (CH4)
- Methanemissionen entstehen durch Massentierhaltung, Mülldeponien, Kläranlagen, die Gewinnung und den Abbau von Brennstoffen und das Auftauen des Permafrosts.
- 4% Distickstoffoxid (Lachgase: N2O)
- Der größte Teil der Lachgasemissionen stammt aus der Landwirtschaft. Verantwortlich dafür sind die Bodenbearbeitung, stickstoffhaltige Düngemittel wie Nitrat und Ammoniak sowie die Massentierhaltung.
- 2% F-Gase (Fluorcarbone)
- Fluorkohlenwasserstoffe werden als Treibstoffe, Kühl- und Löschmittel oder bei der Herstellung von Schallschutzfenstern verwendet.
Die Keeling-Kurve
OK. Wir sehen nun, dass der prozentual größte Teil der anthropogenen Treibhausgase das CO2 ausmacht. Es ist also nicht verwunderlich, wenn die Weltgemeinschaft sich auf dieses Treibhausgas fokussiert. Treibhausgase haben zudem eine wichtige Eigenschaft, die im Grunde diametral zu dem ist, was wir mit bloßem Auge wahrnehmen. Denn wenn wir die Abgase eines laufenden Verbrenner-Autos beobachten, dann sehen wir den Ausstoß. Die Wolke verfliegt aber nach wenigen Sekunden. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Schön wäre es. Leider ist das nur eine Illusion. Treibhausgase haben eine sehr hohe Verweildauer in der Atmosphäre. CO2 nämlich ca. 1000 Jahre. Das heißt: Die CO2-Moleküle aus der Zeit der Industriellen Revolution sind noch immer in unserer Atmosphäre und werden noch weitere 800 bis 900 Jahre dort bleiben.
Übrigens: Methan verschwindet zwar schon nach durchschnittlich 10 Jahren wieder aus der Atmosphäre. Allerdings richtet es in der Zeit bezogen auf die Klimaerwärmung im Vergleich zu CO2 viel größere Schäden an: Für das Klima ist Methan auf der relevanten Zeitskala von 10 Jahren etwa 100-mal wirksamer als CO2. [4]
Diese Verweildauer, vor allem von Kohlendioxid (CO2), bewirkt folgendes:

Das ist die sogenannte Keeling-Kurve, benannt nach ihrem Schöpfer: Dr. Charles David Keeling. Er begann 1956 mit der Untersuchung des atmosphärischen Kohlendioxids, indem er Luftproben entnahm und die darin enthaltene CO2-Menge maß. Keeling konnte sich am Mauna-Loa-Observatorium in Hawaii, USA, einen dauerhaften Wohnsitz einrichten, um seine Forschungen fortzusetzen. Auf dem Mauna Loa entdeckte er, dass der globale CO2-Gehalt in der Atmosphäre fast jedes Jahr anstieg. Dieser Anstieg ist in der der Kurve dargestellt: Ein Diagramm, das die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Erdatmosphäre seit 1958 darstellt. Durch die Analyse des CO2 in seinen Proben konnte Keeling diesen Anstieg auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurückführen. [5]
Gemessen wird das in „Parts per million (ppm)“; „ppm“ bezieht sich auf die Anzahl der Kohlendioxidmoleküle pro Million Moleküle trockener Luft. Die Messungen stammen aus der mittleren Troposphäre, der Schicht der Erdatmosphäre, die sich 8 bis 12 Kilometer über dem Boden befindet.
Übrigens: Keeling stellte vieles fest. U.a., dass Pflanzen tagsüber CO2 aufnehmen (Photosynthese) und nachts wieder abgeben. Im Grunde wie das Ein- und Ausatmen beim Menschen. Er bemerkte auch ein größeres saisonales Muster, nämlich dass der CO2-Gehalt im Frühjahr am höchsten ist, wenn durch die Zersetzung von Pflanzenmaterial CO2 in die Luft freigesetzt wird, und im Herbst am niedrigsten ist, wenn die Pflanzen kein CO2 mehr für die Photosynthese aufnehmen. Je grüner es wird, desto mehr CO2 nehmen die Pflanzen auf.
Die Keeling-Kurve sagt folgendes aus (und jetzt festhalten):
Seit Beginn der Industrialisierung (im 18. Jahrhundert) hat der Mensch die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um 50% erhöht, was bedeutet, dass die CO2-Menge heute 150% des Wertes von 1750 beträgt. Das ist mehr als der natürliche Wert am Ende der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren. [6]
Aufzeichnungen aus Eiskernmessungen zeigen, dass die durchschnittliche globale CO2-Konzentration in der Atmosphäre zwischen 1750 und 1800 bei etwa 278 ppm lag, dem vorindustriellen Ausgangswert für CO2. Seitdem ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre gestiegen. [6]
Heute liegt der Wert bei 424 ppm (Stand: November 2024). [6]

Die obere Grafik zeigt den CO2-Gehalt während der letzten drei Gletscherzyklen der Erde, wie er von den in Eisschilden und Gletschern eingeschlossenen Luftblasen erfasst wurde. [6] Ganz schön steil die „Kurve“.
Übrigens: Die Hälfte des Kohlendioxids, für das die Menschheit verantwortlich ist, wurde in den letzten 30 Jahren ausgestoßen. Das heißt, von „unserer“ Generation. Der Schaden, den wir wissentlich angerichtet haben, ist jetzt genauso groß wie der, den die Menschheit zuließ, als wir noch nicht wussten, was wir taten.

Fazit
Treibhausgase in der Atmosphäre sind zunächst mal etwas Gutes. Wie aber in so vielen System ist ein „zu viel“ von etwas auch hier bedrohend. Denn zu viele Treibhausgase verstärken den Treibhauseffekt, was Letzten Endes zu wärmeren Temperaturen führt.
„Wir neigen dazu, den Klimawandel vor allem für eine Frage der Temperatur zu halten. Viele machen sich deswegen keine großen Sorgen, weil unsere Erfahrung mit Temperatur im Alltag uns sagt, dass ein paar Grad eigentlich gar nicht so viel ausmachen. Die Temperatur ist aber erst der Anfang – ein erster Hinweis.“ [8]
Im nächsten Teil wird es also um die globale Erwärmung und die CO2-Badewanne gehen.
Hast du einen Fehler entdeckt? Dann schreibe mir gerne! Ich bin jederzeit dazu bereit einen Fehler zu korrigieren und darauf hinzuweisen, dass ich etwas korrigiert habe. Ich bin kein ausgebildeter Journalist. Meine Recherchen können nicht so professionell sein wie bei einem Artikel. Neben dem Schreiben eines Blogposts, arbeite ich 40 Stunden regulär bei meinem Arbeitgeber. Ich bitte dies zu berücksichtigen.
Quellen
- [1] ngpltd.co.uk (2022)
- [2] WDR Doku (2021)
- [3] Esther Gonstalla „Atlas eines bedrohten Planeten“ (2023)
- [4] klima.bayern.de
- [5] National Geographic
- [6] NASA (2024)
- [7] Ice Cube
- [8] Zitat von Jason Hickel
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