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Strategische Überlegungen zur Einführung eines herstellerunabhängigen FMCS
Was Unternehmen vor der Einführung beachten sollten – und warum Timing, Use Cases und Organisation über den Erfolg entscheiden.

In a nutshell: Die Einführung eines herstellerunabhängigen Flottenmanagementsystems ist kein reines Technikprojekt, sondern eine strategische Entscheidung. Deshalb schauen wir uns einmal an, welche Faktoren bei der Entscheidung eine Rolle spielen – vom Reifegrad der Automatisierungsstrategie über Use-Case-Komplexität bis hin zu Change Management und Investitionsplanung.
Bevor Unternehmen den Schritt zu einem herstellerunabhängigen FMCS gehen, lohnt sich ein genauer Blick auf strategische Rahmenbedingungen und interne Voraussetzungen. Was ein herstellerunabhängiges Flottenmanagementsystem ist und welche Vorteile es grundsätzlich bietet, erfährst du hier.
Reifegrad der eigenen Robotik-Strategie
Unternehmen, die noch am Anfang der Automatisierung stehen – etwa mit einem einzelnen Robotersystem im Pilotbetrieb – sind oft mit herstellereigenen Lösungen gut bedient. Diese sind direkt auf die eigene Hardware abgestimmt, sofort einsatzbereit und werden durch den Anbieter betreut. Eine einfache Punkt-zu-Punkt-Integration ins Lagerverwaltungssystem ist für erste Anwendungsfälle meist ausreichend.
Sobald jedoch absehbar ist, dass die Flotte wachsen oder diverser werden soll, lohnt sich der Blick nach vorn: Ein herstellerunabhängiges FMCS verhindert spätere Insellösungen. Gartner rät, bereits bei der Erweiterung über einen Hersteller hinaus die Integrationsanforderungen zu analysieren und ein zentrales System in die Planung einzubeziehen. Welche Standards und Plattformen ein herstellerunabhängiges FMCS heute überhaupt möglich machen, erfährst du in diesem Beitrag. Unternehmen mit einer unternehmensweiten Robotik-Roadmap – etwa mehrere Standorte oder unterschiedliche Robotiklösungen für Transport, Handling, Inspektion – profitieren davon, frühzeitig eine skalierbare Architektur aufzubauen.
Komplexität der Use Cases
Nicht jedes Unternehmen braucht von Anfang an ein unabhängiges FMCS. In einfachen Szenarien – z. B. ein Lager mit nur einem Typ von Palettentransportrobotern – ist die zusätzliche Flexibilität nicht immer erforderlich. Die vorhandene Herstellersoftware bietet in solchen Fällen eine gute Lösung mit überschaubarem Aufwand.
Komplexe Anwendungen hingegen sprechen klar für eine standardisierte, zentrale Steuerung: Wenn etwa in einer vernetzten Produktionsumgebung unterschiedliche Robotertypen zusammenarbeiten – Transport-AGVs, Reinigungs-AMRs, autonome Montageroboter – steigt die Notwendigkeit zur Koordination. Ein herstellerunabhängiges FMCS sorgt hier nicht nur für die gemeinsame Steuerung, sondern reduziert Schulungsaufwände, verbessert die Transparenz und ermöglicht softwareübergreifende Automatisierungsszenarien. Besonders für Unternehmen mit ambitionierten Digitalisierungszielen („Lights-Out Warehouse“, vernetzte Fabrik) ist ein unabhängiges FMCS ein logischer Schritt.
Investitionsaufwand und Change Management
Die Einführung eines herstellerneutralen Flottenmanagers ist ein strategisches IT- und OT-Projekt. Neben den Lizenzkosten für die Software selbst müssen Unternehmen weitere Faktoren einkalkulieren:
Schulungskosten: Alle beteiligten Mitarbeitenden – von Bedienpersonal bis Systemadministration – müssen im neuen System geschult werden. Bestehende Prozesse sind anzupassen, was zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedeutet.
Integrationsaufwand: Die Anbindung verschiedener Roboterplattformen (je nach Hersteller unterschiedlich) kann ein eigenes Projekt sein. Schnittstellen müssen angepasst, Systeme getestet und ggf. externe Unterstützung hinzugezogen werden.
Change Management: Oft sind bestehende Prozesse auf herstellerspezifische Systeme abgestimmt. Eine zentrale Leitwarte verändert auch die Rollen innerhalb des Unternehmens. Stakeholder müssen frühzeitig eingebunden und die Vorteile klar kommuniziert werden, um Akzeptanz zu schaffen.
Kontinuierliche Pflege: Ein FMCS ist kein statisches Tool, sondern ein Teil der operativen IT-Infrastruktur. Es muss laufend aktualisiert, gewartet und an neue Anforderungen angepasst werden – etwa, wenn neue Robotermodelle hinzukommen oder Updates der Standards erfolgen. Hierfür braucht es interne Ressourcen oder entsprechende Serviceverträge.
Betrieb und Wartung gemischter Roboterflotten
Die technische Implementierung eines unabhängigen Flottenmanagers ist das eine – der tägliche Betrieb einer gemischten Robotikflotte das andere. Hier zeigen sich weitere praktische Aspekte, die Entscheider berücksichtigen sollten:
Instandhaltung und Wartung: Eine heterogene Roboterflotte erfordert weiterhin die Pflege jedes einzelnen Roboters nach Herstellervorgaben. Ein FMCS kann Wartungsinformationen zwar bündeln (z. B. Gesamtübersicht aller Batteriestände, Betriebsstunden etc.), aber die physischen Wartungsarbeiten bleiben individuell. Unterschiedliche Robotertypen bringen verschiedene Verschleißteile, Ladetechnik und Prüfvorschriften mit sich. Daher muss intern oder via Dienstleister sichergestellt sein, dass für jeden Robotertyp das passende Wartungs-Know-how vorhanden ist. Ein Vorteil eines zentralen Systems: Wartungszyklen ließen sich hier konsolidiert planen – etwa könnten Einsätze so koordiniert werden, dass Roboter nacheinander zum Service aus dem Verkehr gezogen werden, ohne den Betrieb lahmzulegen. Allerdings bedarf es dafür auch disziplinierter Prozesse (z. B. regelmäßige Firmware-Updates aller Roboter über das FMCS, falls unterstützt).
Regelmäßige Sensor- und Systemprüfungen: In gemischten Flotten können Kalibrierungs- und Sensorprobleme schwerer auffallen, weil man sich nicht in jedem System täglich detailliert einloggt. Daher sollten Routine-Checks etabliert werden, um sicherzustellen, dass alle Roboter korrekt wahrnehmen und reagieren. Beispielsweise könnten monatliche Kalibrierungen für Navigationssensoren oder Sicherheits-LiDARs angesetzt werden – idealerweise unterstützt durch das FMCS, das Abweichungen in Sensordaten meldet. Moderne Flottenmanagementsysteme bieten dafür bereits integrierte Diagnosefunktionen, die auffällige Parameter hervorheben (z. B. steigende Motorströme oder verringerte Akkukapazitäten). Präventive Wartung wird somit wichtiger denn je, um Ausfälle in einer stärker vernetzten Flotte zu verhindern.
Fehlerdiagnose und Transparenz: Wenn doch Störungen auftreten, ist eine schnelle Ursachenerkennung entscheidend. Dazu braucht es ein zentrales System, das Fehlercodes unterschiedlicher Robotermodelle zusammenführt, übersetzt und einheitlich darstellt. Im Idealfall werden alle Störmeldungen im FMCS gebündelt und über ein gemeinsames Dashboard visualisiert. Auch Remote-Zugriff und Telemetrie können hier helfen – etwa wenn Techniker im Störfall direkt über das zentrale System auf die betroffenen Roboter zugreifen können, ohne vor Ort sein zu müssen. So lassen sich Ausfallzeiten minimieren und die Wartung effizienter gestalten.
Fazit: Wann ein herstellerunabhängiges FMCS echten Mehrwert bringt
Ein herstellerunabhängiges Flottenmanagementsystem lohnt sich vor allem für Unternehmen, die Robotik strategisch, skalierbar und über mehrere Standorte hinweg einsetzen wollen. In komplexen, dynamischen Flottenumgebungen überwiegen die Vorteile wie Flexibilität, Interoperabilität und Zukunftssicherheit klar die anfänglichen Mehrkosten. Entscheidend ist jedoch, dass organisatorische Grundlagen wie Wartungspläne, klare Zuständigkeiten und passende Monitoring-Tools von Beginn an mitgedacht werden. Wer frühzeitig ein Integrationskonzept entwickelt und operative wie strategische Aspekte zusammendenkt, kann nicht nur Parallelstrukturen und Abhängigkeiten vermeiden, sondern auch langfristig eine stabile, effiziente und erweiterbare Roboterflotte aufbauen.
Empfehlung: Vorgehensweise bei Unsicherheit
Die Entscheidung für ein herstellerunabhängiges Flottenmanagementsystem ist weitreichend. Wenn intern die Erfahrung mit Robotikflotten noch gering ist, empfiehlt es sich, externen Rat hinzuzuziehen. Unabhängige Beratungshäuser oder Systemintegratoren mit Robotik-Expertise können helfen, den individuellen Bedarf zu evaluieren. Sie betrachten objektiv die bestehende und geplante Roboterlandschaft des Unternehmens und können einschätzen, ob der Schritt zu einem vendor-unabhängigen FMCS zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist. Gegebenenfalls zeigen sie auch Zwischenlösungen auf – etwa zunächst per Standard-Schnittstelle zwei Systeme locker zu koppeln, bevor ein großer Umstieg erfolgt.
Wichtig ist, kein übereiltes „Jumping on the Bandwagon“ zu betreiben, nur weil Interoperabilität im Trend liegt. Eine Fehlentscheidung – z. B. die Einführung eines komplexen FMCS ohne dass die Organisation darauf vorbereitet ist – kann Zeit und Geld kosten, ohne Nutzen zu entfalten. Daher sollte bei Unsicherheit lieber pilotiert werden: Man könnte z. B. in einem abgegrenzten Bereich ausprobieren, wie ein herstellerneutraler Flottenmanager funktioniert (viele Anbieter bieten Testinstallationen oder Sandboxen an). Die gewonnenen Erkenntnisse kann man dann skalieren.
Externe Experten können auch beim Change Management unterstützen, Trainings anbieten und Best Practices aus anderen Projekten einbringen. Gerade bei der erstmaligen Einführung einer gemischten Roboterflotte ist es hilfreich, von Erfahrungen ähnlicher Use Cases zu profitieren, um Stolpersteine zu vermeiden.
Letztlich gilt: Ein herstellerunabhängiges FMCS ist ein mächtiges Werkzeug, das jedoch zum Reifegrad und zur Strategie des Unternehmens passen muss. Wird es richtig eingesetzt, bietet es enorme langfristige Vorteile in Flexibilität und Effizienz. Wird es hingegen ohne ausreichende Vorbereitung eingeführt, drohen Überforderung und Frustration. Daher im Zweifel: Schrittweise vorgehen, Experten hinzuziehen und die eigenen Automatisierungsziele klar definieren. So kann die Entscheidung für oder gegen ein unabhängiges Flottenmanagementsystem fundiert und strategisch getroffen werden – im Sinne einer zukunftssicheren Lagerlogistik und Fertigung.
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Sources:
- Formant Blog – Why Modern Warehouses Need Vendor-Agnostic Robot Fleet Management (Why Warehouses Need Vendor-Agnostic Robot Fleet Management) (Why Warehouses Need Vendor-Agnostic Robot Fleet Management) (Why Warehouses Need Vendor-Agnostic Robot Fleet Management)
- IFR (International Federation of Robotics) – VDA 5050 explained (VDA 5050 explained - International Federation of Robotics) (VDA 5050 explained - International Federation of Robotics) (VDA 5050 explained - International Federation of Robotics)
- Formant Blog – Hidden Challenges of Multi-Vendor Robotics Management (The Hidden Challenges of Multi-Vendor Robotics Management (and Why They’re Holding You Back)) (The Hidden Challenges of Multi-Vendor Robotics Management (and Why They’re Holding You Back))
- Gartner – Future of Robotics: Heterogeneous Robot Fleet (The Future of Robotics: Orchestrating the Heterogeneous Robot Fleet) (The Future of Robotics: Orchestrating the Heterogeneous Robot Fleet) (The Future of Robotics: Orchestrating the Heterogeneous Robot Fleet)
- SYNAOS – Partnernetzwerk und VDA 5050-Kompatibilität (Preventive maintenance solution WAKU Care as an add-on for the SYNAOS Intralogistics Management Platform | SYNAOS); WAKU Care Integration (Preventive maintenance solution WAKU Care as an add-on for the SYNAOS Intralogistics Management Platform | SYNAOS)
- NAiSE – Zentrales Verkehrs- und Auftragsmanagement in der Intralogistik (NAiSE | Maximizing safety and efficiency of intralogistics | VDA5050, Fleetmanager, AGV, AMR) (NAiSE | Maximizing safety and efficiency of intralogistics | VDA5050, Fleetmanager, AGV, AMR)
- MiR – Interoperability and VDA5050 (Herstellerperspektive) (Interoperability and the VDA5050 Standard ) (Interoperability and the VDA5050 Standard )
- HiveMQ Whitepaper – VDA 5050 setzt MQTT als Standardprotokoll ein (Architecture Proposal for the VDA 5050)
- LinkedIn/News – Kollmorgen AMS mit VDA 5050 Unterstützung (Projekt “NiCE”)Wann sich ein herstellerunabhängiges FMCS strategisch lohntWann sich ein herstellerunabhängiges FMCS strategisch lohnt