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Wann lohnt sich ein herstellerunabhängiges Flottenmanagementsystem?

Viktor Splittgerber

Wie ein agnostisches FMCS hilft, Roboterflotten effizient zu steuern – und warum sich frühe Interoperabilität lohnt.

WAKU Robotics Victor Splittgerber

In a nutshell: Ein herstellerunabhängiges Flottenmanagementsystem (FMCS) ermöglicht die zentrale Steuerung heterogener Roboterflotten und hilft, parallele Strukturen, Insellösungen und Abhängigkeiten zu vermeiden. Der Beitrag zeigt, was ein FMCS ist, welche Vorteile und Herausforderungen es mit sich bringt und für wen es geeignet ist. 

Ein Flottenmanagementsystem für mobile Roboter ist eine zentrale Softwareplattform, die den Betrieb einer Gruppe von mobilen Robotern koordiniert und überwacht. Dazu gehören autonome Transportroboter (AGVs/AMRs) in Lagerhallen oder Fabriken, die z. B. Güter transportieren, reinigen oder Inspektionen durchführen. Ein solches System übernimmt Aufgaben wie die Auftragszuweisung und Routenplanung, die Verkehrssteuerung zur Vermeidung von Kollisionen, das Monitoring von Positions- und Zustandsdaten sowie die Priorisierung von Aufgaben. 

Was sind herstellerunabhängige Flottenmanager? 

Herstellerunabhängig bedeutet, dass das Flottenmanagement nicht an einen bestimmten Robotik-Hersteller gebunden ist. Statt nur die Roboter eines Herstellers zu verwalten, kann ein herstellerunabhängiges FMCS Roboter unterschiedlicher Marken auf einer Plattform steuern. Die Roboter und das Leitsystem kommunizieren dabei über standardisierte Schnittstellen, sodass jede kompatible Maschine eingebunden werden kann. Das zentrale "Master"-System koordiniert also heterogene Roboterflotten über einheitliche Befehle und erhält von allen Geräten Statusmeldungen in einer gemeinsamen Sprache. 

Diese Herangehensweise adressiert ein zentrales Problem heutiger Robotikprojekte: Viele mobile Roboter funktionieren nur mit den jeweils eigenen Flottenmanagern ihrer Hersteller, was beim Einsatz mehrerer Fabrikate zu erheblichen Herausforderungen führt. Ohne herstellerübergreifendes FMCS benötigt jeder Robotertyp eine separate Installation mit eigener Software – die Systeme sind isoliert und nicht aufeinander abgestimmt. Daraus ergeben sich u. a. komplizierte Inbetriebnahmen für jede neue Robotermarke, Interoperabilitätsprobleme (z. B. wenn Roboter verschiedener Hersteller dieselben Wege oder Aufzüge nutzen müssen) und ineffiziente parallele Strukturen. Ein herstellerunabhängiges FMCS soll genau diese Probleme lösen, indem es als zentraler Leitrechner alle Robotertypen im Betrieb integriert. Damit steht Entscheidern eine Plattform zur Verfügung, über die sie ihre gesamte Roboterflotte – vom automatischen Gabelstapler bis zum Reinigungsroboter – einheitlich steuern und überwachen können. 

Welche Standards und Technologien diese Interoperabilität möglich machen – und welche Plattformen bereits herstellerübergreifend arbeiten –, erfährst du hier

Typische Use Cases für ein unabhängiges FMCS  

Ein herstellerunabhängiger Flottenmanager entfaltet vor allem in komplexeren Umgebungen seinen Nutzen. Typische Anwendungsfälle sind: 

Koordination gemischter Flotten: In vielen Lagerhäusern und Fabriken kommen mittlerweile unterschiedliche Robotertypen parallel zum Einsatz. Beispielsweise könnten selbstfahrende Paletten-Stapler (FTS/AGV) die interne Logistik abwickeln, während gleichzeitig Reinigungsroboter die Hallen säubern. Ohne ein zentrales System besteht die Gefahr von Zielkonflikten – etwa wenn beide Robotertypen dieselben Gänge kreuzen. Ein herstellerübergreifendes FMCS ermöglicht eine gemeinsame Verkehrssteuerung, sodass alle Roboter nach denselben Regeln agieren und sich gegenseitig berücksichtigen. So lassen sich Deadlocks und Wartezeiten minimieren, weil z. B. ein zentraler Controller Wege sperrt oder Freigaben erteilt, damit ein Reinigungsroboter und ein Transportroboter sicher aneinander vorbeikommen. Insgesamt sorgt die koordinierte Auftragsplanung dafür, dass jeder Robotertyp optimal zum Einsatz kommt, ohne anderen in die Quere zu geraten. 

Architekturvereinfachung und Integration: Statt für jeden Robotertyp getrennte Software-Systeme zu betreiben (jedes mit eigener Schnittstelle zum Lagerverwaltungssystem, eigener Datenbank, eigenen UIs etc.), kann eine einheitliche Flottenmanagement-Plattform die IT-Architektur deutlich vereinfachen. Alle Roboter melden an dasselbe Leitsystem, das wiederum nur ein Interface zu übergeordneten Systemen (WMS, ERP, MES) benötigt. Dies reduziert Integrationsaufwand und Doppelstrukturen. Unternehmen gewinnen eine ganzheitliche Sicht auf alle mobilen Einheiten, anstatt verschiedene Insel-Systeme mühsam manuell abgleichen zu müssen. Ohne eine solche Vereinheitlichung bleiben viele Daten in Silos getrennt – mit uneinheitlichen Kennzahlen je Robotertyp und hohem manuellem Abstimmungsaufwand. Ein herstellerunabhängiges FMCS bricht diese Silos auf, indem es alle relevanten Flottendaten zentral aggregiert. Entscheidungen lassen sich dadurch auf Basis vollständiger und konsistenter Informationen treffen, anstatt fragmentierter Einzelstatistiken je Hersteller. 

Reduktion von Softwaresilos: In der Praxis zeigen sich die genannten Vorteile insbesondere bei Betrieben mit vielen Automatisierungslösungen. Häufig wurden über die Jahre verschiedene Insellösungen implementiert – etwa fahrerlose Transportsysteme von Hersteller A in der Produktion und separate autonome Roboter von Hersteller B im Lager. Diese parallelen Softwaresilos bedeuten für operative Teams, dass sie mehrere Bedienoberflächen beherrschen und Monitorings parallel durchführen müssen. Ein neutraler Flottenmanager kann hier Abhilfe schaffen, indem er als vereinheitlichende Ebene dient. So wird aus mehreren getrennten Steuerständen eine gemeinsame Kommandozentrale. Das erleichtert den Mitarbeitern die Überwachung und Steuerung, da alle Robotereinsätze über ein homogenes Dashboard geplant und verfolgt werden. Zudem lassen sich übergreifende Workflows etablieren – z. B. könnte ein Transportroboter automatisch einen Reinigungsauftrag anstoßen, nachdem er eine Aufgabe in einem bestimmten Hallenbereich erledigt hat. Ohne zentrale Plattform wäre eine solche softwareübergreifende Automation kaum möglich. 

Strategische Vorteile: Warum Vendor-Unabhängigkeit attraktiv ist  

Ein herstellerunabhängiges FMCS bietet eine Reihe strategischer Vorteile für fortgeschrittene Robotik-Anwender: 

Unabhängigkeit von Herstellern: Unternehmen vermeiden einen Lock-in bei einem einzelnen Robotik-Anbieter. Die Flottenmanagement-Software stammt von einem neutralen Anbieter oder ist eine offene Plattform, sodass neue Robotermodelle verschiedener Hersteller flexibel integriert werden können. Kunden fordern zunehmend die Freiheit, eine heterogene Roboterflotte über eine einzige Lösung zu betreiben, anstatt für jeden Hersteller getrennte Leitstände zu nutzen. Ein unabhängiges FMCS ermöglicht genau das: Investitionsschutz und Wahlfreiheit. Wenn ein Robotik-Lieferant künftig z. B. technisch hinterherhinkt oder preislich unattraktiv wird, kann man leichter auf Alternativen wechseln – die zentrale Steuerung bleibt bestehen. Die Austauschbarkeit von Robotern wird erhöht, was die Verhandlungsposition der Betreiber gegenüber den Herstellern stärkt. 

Zukunftsfähige IT-Architektur: Ein standardisiertes, herstellerunabhängiges Flottenmanagement lässt sich langfristig besser in die unternehmensweite IT-Landschaft einbetten. Es fungiert als “Middleware” zwischen höherliegenden Systemen (Auftragsmanagement, ERP usw.) und den Robotern im Feld. Durch diese Entkopplung der Ebenen wird die Gesamtarchitektur robuster gegenüber Änderungen. Soll etwa ein neues Warehouse Management System angebunden werden oder ein weiterer Robotertyp hinzukommen, muss nicht an jeder einzelnen Robotersoftware geschraubt werden, sondern nur an der zentralen Integrationsplattform. 

Flexibilität bei Erweiterungen: Mit einem unabhängigen FMCS sind Betreiber hochflexibel, neue Anwendungsfälle umzusetzen. Wächst das Geschäft und es werden zusätzliche Roboter benötigt – sei es ein anderer Gerätetyp (z. B. ein Inspektionsroboter) oder einfach mehr Einheiten – können diese im Idealfall nahtlos eingebunden werden, solange sie den unterstützten Schnittstellen entsprechen. Die Flotte kann so schrittweise heterogener und größer werden, ohne dass jedes Mal ein neues separates Managementsystem eingeführt werden muss. Das zentrale System verteilt Aufträge dynamisch an die jeweils geeignetsten Roboter gemäß ihren Fähigkeiten. 

Herausforderungen: Was bei herstellerneutralen Flottenmanagern zu beachten ist  

Trotz der genannten Vorteile bringt ein herstellerunabhängiges Flottenmanagementsystem auch nicht zu unterschätzende Herausforderungen mit sich. Entscheidern sollten insbesondere die folgenden Punkte bewusst sein: 

Komplexere Verantwortung und Integration: Wird ein separates FMCS als „Schicht“ über verschiedene Robotersysteme gezogen, steigt die Komplexität der Gesamtlösung zunächst an. Anstelle eines monolithischen Systems eines einzelnen Herstellers müssen nun mehrere Komponenten integriert werden – nämlich die Roboter plus der externe Flottenmanager. Unterschiedliche Kommunikationsprotokolle und Datenformate der verschiedenen Robotertypen müssen vereinheitlicht werden. Oft erfordert dies zusätzliche Konnektoren oder individuelle Anpassungen, da nicht alle Hersteller out-of-the-box perfekt zusammenarbeiten. Zwar gibt es Standards (siehe nächster Beitrag), doch in der Praxis bedeutet ein heterogenes Setup mehr Abstimmungsaufwand. 

Hohe Anforderungen an Käuferkompetenz: Ein herstellerunabhängiges FMCS stellt höhere Ansprüche an das betreibende Unternehmen. Die Auswahl und Einführung verlangt tiefgehendes Verständnis sowohl der eigenen Prozesse als auch der Robotiktechnologie. Der Käufer muss bewerten können, welcher unabhängige Anbieter die Anforderungen erfüllt, welche Standards unterstützt werden und wie die Integration erfolgen soll. 

Unklare Performance-Verantwortung und eingeschränkte Spezialfunktionen: Herstellerunabhängige Standards und Plattformen decken meist die Grundfunktionen der Robotik ab. Spezifische Sonderfunktionen oder Optimierungen einzelner Hersteller könnten jedoch in einer generischen Plattform nicht voll unterstützt werden. In der Branche wird diskutiert, dass Standardisierung zwar Interoperabilität schafft, aber eventuell herstellerspezifische Optimierungen verwässert. Denn jeder Robotik-Anbieter hat tiefes Know-how über die eigene Hardware und Software – manche Funktionen (etwa eine besondere Fahrstrategie oder eine optimierte Batterienutzung) werden nur im nativen Leitsystem des Herstellers optimal genutzt. 

Empfehlung  

Unternehmen sollten frühzeitig klären, welche Anforderungen sie an ein Flottenmanagementsystem stellen, welche Systemlandschaft langfristig aufgebaut werden soll und welche internen Ressourcen für Auswahl, Integration und Betrieb zur Verfügung stehen. Pilotprojekte mit ausgewählten Anbietern können helfen, Praxiserfahrung zu sammeln und eine fundierte Entscheidung zu treffen. 

Welche strategischen Faktoren Unternehmen vor der Einführung eines herstellerunabhängigen FMCS berücksichtigen sollten, erfährst du in diesem Beitrag

 

Auf der Suche nach einer passenden Lösung für deine Logistik? Hier geht's zur Vergleichsplattform, die dir die Suche erleichtert.  

 

Sources:

  1. Formant Blog – Why Modern Warehouses Need Vendor-Agnostic Robot Fleet Management (Why Warehouses Need Vendor-Agnostic Robot Fleet Management) (Why Warehouses Need Vendor-Agnostic Robot Fleet Management) (Why Warehouses Need Vendor-Agnostic Robot Fleet Management)
  2. IFR (International Federation of Robotics) – VDA 5050 explained (VDA 5050 explained - International Federation of Robotics) (VDA 5050 explained - International Federation of Robotics) (VDA 5050 explained - International Federation of Robotics)
  3. Formant Blog – Hidden Challenges of Multi-Vendor Robotics Management (The Hidden Challenges of Multi-Vendor Robotics Management (and Why They’re Holding You Back)) (The Hidden Challenges of Multi-Vendor Robotics Management (and Why They’re Holding You Back))
  4. Gartner – Future of Robotics: Heterogeneous Robot Fleet (The Future of Robotics: Orchestrating the Heterogeneous Robot Fleet) (The Future of Robotics: Orchestrating the Heterogeneous Robot Fleet) (The Future of Robotics: Orchestrating the Heterogeneous Robot Fleet)
  5. LinkedIn/News – Kollmorgen AMS mit VDA 5050 Unterstützung (Projekt “NiCE”)
     

Autor*in

Viktor Splittgerber

Mit über zehn Jahren Erfahrung als Gründer im IoT-Bereich sowie als Lead bei zahlreichen Automatisierungs- und Robotikprojekten bei Zalando kennt Viktor die vielfältigen Herausforderungen der Branche aus erster Hand. Als international anerkannter Experte im Bereich mobile Robotik vereint er praxisnahes Know-how mit fundierter Branchenexpertise, um Unternehmen bei der digitalen Transformation zu unterstützen. Exzellente Instandhaltung ist ihm auch privat wichtig – seine persönliche Routine umfasst fünf Calisthenics-Einheiten pro Woche. Auf LinkedIn teilt Viktor regelmäßig spezifischen Fach-Content und Einblicke aus der Praxis.


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